CO2-freie Citylogistik

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Etwa 63.000 Pakete werden an einem einzigen Wochentag in Frankfurt am Main transportiert. Dafür sind bis zu 400 Lieferwagen unterwegs, die 15.000 bis 20.000 Kilometer durch die Stadt fahren – ein jährlicher CO2-Ausstoß von über 1.700 Tonnen. „Viel zu viel!“, finden nicht nur Klaus Grund, Geschäftsführer von „Sachen auf Rädern“, und Herbert Riemann, selbständiger Industrie-Designer. Sie haben eine Idee entwickelt, wie der innerstädtische Warenaustausch verbessert werden könnte: mit einer Logistik-Tram und E-Bikes. Im vergangenen Jahr haben Umweltdezernentin Rosemarie Heilig und das Klimareferat die Entwicklung eines Prototyps mit 31.600 Euro unterstützt. Jetzt wird er auf die Straße – beziehungsweise Schiene – gebracht.

Herbert Riemann und Klaus Grund mit Fahrrad am Main
Herbert Riemann und Klaus Grund

Logistik-Tram und E-Bikes: ein neues Dreamteam

Die Idee, mit der Tram nicht nur Personen, sondern auch Güter zu transportieren, ist nicht neu. Doch die Tram ist an ihre Schienen gebunden, und es mangelte an einer Lösung, wie auch die letzten Meter bis zum Zustellort schnell und umweltschonend überwunden werden können. Gut, dass sich Klaus Grund und Herbert Riemann gesucht und gefunden haben: Riemann ist Industrie-Designer, Grund betreibt in Frankfurt am Main einen Lieferservice mit elektrischen Lastenrädern. Gemeinsam haben sie ein Konzept ausgearbeitet, wie sich Logistik-Tram und E-Bikes kombinieren lassen.

Eine Grafik verdeutlich das Konzept der Logistik-Tram.
So könnte die Logistik-Tram funktionieren.

Schneller als ein Lieferwagen

Klaus Grund erläutert: „Während die Straßenbahn auf längeren Distanzen schneller ist und größere Mengen transportieren kann, legen wir mit den Rädern am liebsten Strecken von zwei bis drei Kilometern zurück und können die Feinverteilung der Waren übernehmen. Wir ergänzen uns also perfekt.“ So lässt sich eine nahezu CO2– und emissionsfreie Citylogistik realisieren. Auf langen Strecken ist die Tram schneller als ein Lieferwagen – ebenso wie das E-Bike auf kurzen Strecken, wie Grund betont: „Wir können durch Grünanlagen fahren, entgegen der Einbahnstraße oder durch Fußgängerzonen. Wir kennen jeden Schleichweg! Meistens sind wir schneller am Ziel als ein Auto und benötigen dort dann auch keinen Parkplatz.“

Der Clou: mobile Mikrodepots

Logistik-Tram und E-Bikes miteinander zu kombinieren, mag in der Theorie einfach klingen, ist aber in der Praxis anspruchsvoll. Herzstück der Entwicklung sind so genannte mobile Mikrodepots. Herbert Riemann erklärt: „Die Mikrodepots bestehen aus einem Skelett aus Stahlprofilen, in das mehrere Logistikboxen hineingestellt werden können. Die Tram transportiert die Mikrodepots auf einem angehängten Flachwagen, der über einen Kran verfügt. Hiermit können sie zur Zwischenlagerung abgeladen werden.“ Damit die Logistikboxen anschließend aus dem Mikrodepot entnommen werden können, hat Riemann einen speziellen Anhänger mit elektrischem Hubantrieb entwickelt, der unter anderem von E-Bikes gezogen werden kann. Jede einzelne Box hat die Grundfläche einer Europalette, ein Fassungsvolumen von 600 Litern und kann bis zu 150 Kilogramm wiegen. In der Summe könnte die Logistik-Tram in einer Fahrt dreißig bis vierzig Lieferwagenfahrten ersetzen.

Herbert Riemann und Klaus Grund mit Fahrrad am Main
Manfred Herbert Riemann und Klaus Grund

„Logistik-Tram und E-Bikes ergänzen sich perfekt.“

Eine ausgezeichnete Idee

Das Konzept überzeugte im vergangenen Jahr auch beim „Ideenwettbewerb Klimaschutz“, den Umweltdezernentin Rosemarie Heilig und das Klimareferat ausgeschrieben hatten. Gesucht waren Ideen, die nachweislich zur CO2-Reduktion in Frankfurt am Main beitragen. Als Sieger im Themenfeld „Mobilität/Elektromobilität“ erhielten Klaus Grund und Herbert Riemann 31.600 Euro, die sie in die Entwicklung der Prototypen investierten. „Die größte Herausforderungen ist es, Unternehmen zu finden, die so etwas bauen“, berichtet Herbert Riemann. „Schließlich geht es erst einmal nur um einen Prototyp. Da muss man die richtigen Leute kennen.“ Die kannte er, und inzwischen sind die Prototypen von Box, Mikrodepot und Anhänger fertig. „Für mich als Entwickler ist dieser Moment, in dem man das Gerät zum ersten Mal anschaltet, immer unglaublich spannend. Es kann noch so gut durchdacht sein – und dann bewegt sich doch irgendetwas nicht. Hier hat aber alles wunderbar zusammengepasst und funktioniert.“

Die Vision: ein flächendeckendes Netz

Im Herbst stehen jetzt erste Testfahrten der Stadtwerke Verkehrsgesellschaft Frankfurt am Main (VGF) an. Partnerschaftlich haben die Stadt Frankfurt, die House of Logistics & Mobility (HOLM) GmbH, die Frankfurt University of Applied Sciences (UAS), die IHK Frankfurt am Main, das Klima-Bündnis und die VGF das Konzept für den Piloten und die Testfahrten entwickelt. Dabei werden die Logistikboxen zunächst in gewöhnlichen Straßenbahnwagen transportiert. Die Pilotstrecke verläuft vom Betriebshof Gutleut zur Messeschleife. Die Vision ist ein flächendeckendes Netz von Umschlagplätzen im gesamten Stadtgebiet. Klaus Grund und Herbert Riemann sind sich sicher, dass ihre Idee Zukunft hat. „Die Menge an Waren, die wir mit E-Lastenrädern transportieren, steigt von Monat zu Monat. Das zeigt, dass die Nachfrage nach einer umweltschonenden und zugleich schnellen Alternative zum Lieferwagen stetig wächst“, so Klaus Grund. „Die Paketlogistik trägt erheblich dazu bei, dass das Verkehrschaos in den Städten immer größer wird. Unser Ansatz könnte ein Teil einer Lösung sein“, ist Herbert Riemann überzeugt.

Anmerkung der Redaktion: Die im Text angegebenen Zahlen stammen von Klaus Grund und Herbert Riemann.

Bildquellen

Bild Herbert Riemann und Markus Grund / Salome Roessler
Grafik Logistik-Tram / Herbert Riemann