„Die Kooperative“ baut genossenschaftliche Vollversorgung auf

Autor , Fotos Salome Roessler

Vergangenes Jahr im Herbst fiel der offizielle Startschuss für „Die Kooperative – Stadt.Land.Wirtschaft“. Seitdem setzen die beiden Freunde und Gründer Silas Müller und Christoph Graul ihre Idee in die Tat um: Sie bauen eine dezentrale Vollversorgungsstruktur für ökologische Lebensmittel in und um Frankfurt am Main auf. Organisiert in Form einer Genossenschaft möchte „Die Kooperative“ landwirtschaftliche Produzenten und Verbraucher in Frankfurt und Umland miteinander in Kontakt bringen: „Für uns ist es ganz wichtig, dass der Raum, wo gesät und gepflanzt wird, von denjenigen, die das essen, beobachtet werden kann – von der Saat bis zur Ernte. Das ist die höchste Transparenz und Verbindung zum Unternehmen“, erklärt Graul das Anliegen der Kooperative. Die räumliche Nähe der Produzenten und Anbauflächen zur Stadt ist ihnen deshalb besonders wichtig.

Die beiden Gründer Silas Müller und Christoph Graul von der "Kooperative" sitzen nebeneinander auf einem landwirtschaftlichen Gerät auf einem grünen Feld.
Freunde und Gründer Silas Müller und Christoph Graul von der „Kooperative“.

Eine Alternative zur konventionellen und ökologischen Landwirtschaft

Als gelernte Gärtner haben Graul und Müller deutschland- und weltweit in landwirtschaftlichen Betrieben gearbeitet. Dabei haben sie unter anderem die Handelsketten aus verschiedenen Perspektiven kennen gelernt und sich eingehend mit den Themen „Ernährung“ und „Konsum“ beschäftigt. Das Fazit lautete für beide: Wir brauchen eine Alternative zur aktuellen Entwicklung von Landwirtschaft und Gartenbau.

Während Graul die Gärtnermeisterschule und Müller die Gärtnertechnikerschule absolvierten, wurden die beiden Freunde. Danach studierte Graul Produktionsgartenbau und Müller Ökologische Landwirtschaft. Während dieser Zeit beschäftigten sich beide auch mit den verschiedenen sozioökonomischen Aspekten der Landwirtschaft, wie beispielsweise der Versorgung der Menschen in Städten. Vor fünf Jahren beschlossen sie schließlich, zusammen nach dieser Alternative zu suchen. „Anschließend haben wir begonnen, die Kooperative theoretisch zu planen“, erzählt Müller.

Zahlreiche Analysen und Suche nach einem Hof

Es folgten Recherchen im In- und Ausland zur solidarischen Landwirtschaft und partizipatorischen Konzepten sowie zahlreiche Analysen von Hof- und Stadtstrukturen in Deutschland. Graul und Müller kamen zu dem Ergebnis, die Kooperative mit Übernahme eines Hofes zu gründen – in einer Metropolregion im Bereich Mittel- oder Süddeutschland. Ziel war es, einen Hof in Stuttgart, Mannheim, Mainz, Wiesbaden oder Frankfurt zu übernehmen – leider erfolglos: „Unser Konzept weicht so sehr von dem ab, was bislang normal ist. Dies schien vielen Hofbesitzern zu ambitioniert“, fasst Graul zusammen.

Silas Müller und Christoph Graul von der "Kooperative" sitzen nebeneinander auf einem Feld und lächeln in die Kamera
Silas Müller und Christoph Gaul
Gründer von „Die Kooperative“

„Frankfurt hat wunderschöne landwirtschaftliche Räume, die wir den Menschen zugänglich machen möchten“

Strategiewechsel ermöglicht erfolgreichen Start

Um dennoch starten zu können, entschieden sich die beiden schließlich für einen Strategiewechsel. Sie pachteten Anbaufläche zwischen Offenbach und Frankfurt im alten Grüne-Soße-Anbaubereich. In einem ersten Schritt bauen sie dort Gemüse an und finden Kooperationspartner. „Frankfurt hat wunderschöne landwirtschaftliche Räume, die wir den Menschen zugänglich machen möchten: Die Kooperative-Mitglieder haben die Möglichkeit, die Höfe durch Aktionen wie beispielsweise Hoffeste oder Schafwandern wirklich kennenzulernen“, erzählt Müller. „Es gibt um Frankfurt eine wunderbare Struktur an ökologischen Betrieben für Wein, Obst, Gemüse und tierische Produkte. Gerade sind wir dabei, die Milchverarbeitung mit Ziegen, Schafen und Kühen ins Leben zu rufen und die Kooperation zwischen den Betrieben zu fördern“, ergänzt Graul

Über 70 Haushalte konnten sie von ihrer Idee bereits überzeugen. Die Kooperative beliefert die Haushalte mit Gemüse, Eiern und dem ersten Obstanteil. Demnächst sollen ein Milch- und Käseanteil hinzukommen sowie selbst gebrautes Bier, Wein und Getränke. Das Pachten eines Hofes ist weiterhin ihr Ziel. Durch den erfolgreichen Start haben sich die Gespräche mit den Hofbesitzern verändert: „Wir haben an Glaubwürdigkeit gewonnen und können eher vermitteln, dass wir es schaffen werden“, vermutet Graul.

„Die Kooperative“ trägt zum Klimaschutz bei

Ein zentraler Aspekt der Kooperative ist der Klimaschutz: Zum einen sind alle Kooperationspartner im Raum Frankfurt ansässig, sodass die Transportwege so kurz wie möglich sind. Zum anderen hat die Kooperative eine sehr klimafreundliche Distribution über Verteilzentren entwickelt: Sie werden so eingerichtet, dass die Mitglieder sie mit dem Fahrrad oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichen. Aktuell sind das meist Depots bei Privatpersonen oder Geschäfte, wo die Kisten abgestellt werden. Geplant sind eigene Mitgliederläden in den jeweiligen Stadtteilen.
Darüber hinaus soll auf den Höfen und in den Verteilzentren „Raum“ entstehen, in dem Klimaschutz-Projekte andocken können. Beispiele sind momentan die Kooperationen mit der Klimawerkstatt Ginnheim und mit dem Mehrgenerationenhaus Gallus. Perspektivisch werden auch in den Kooperative-Mitgliederläden Aktionen rund um den Klimaschutz stattfinden.

Danke für das Interview!