Klimaschutz in der Frankfurter Altstadt
Autor Klimareferat, Fotos Salome Roessler
Die Frankfurter Altstadt ist ein deutschlandweit einzigartiges Projekt, das viele begeistert. Nur wenigen ist bekannt, dass alle Gebäude sehr hohen Energiestandards entsprechen und damit auch zum Klimaschutz beitragen. Verantwortlich für die Berücksichtigung der Energiestandards waren Karin Gerhardt und Wolfgang Steins vom Klimareferat der Stadt Frankfurt am Main, Sachgebiet Wohngebäude- und Haustechnik. Dort sind sie unter anderem für die Beratung von Investoren, Bürgerinnen und Bürgern sowie von Wohneigentümergemeinschaften zuständig.
Deutschlandweit bislang einmalig umfasst es 15 Rekonstruktionen nach historischen Vorbildern („schöpferische Nachbauten“) und 20 moderne Bauten, die charakteristische Stilelemente der Frankfurter Altstadt aufgreifen. Alle Gebäude wurden somit neu gebaut, sollen in ihrer Gesamtheit jedoch wie die ursprüngliche Frankfurter Altstadt anmuten. Aus diesem Grund ist hier nicht von „Denkmalschutz“ die Rede. Stattdessen gelten besondere gestalterische Anforderungen, die sich aus den historischen Vorbildern ergeben. Das zwischen Dom und Römer gelegene Areal ist Eigentum der Stadt Frankfurt, die sich verpflichtet hat, ihre eigenen Gebäude nach dem sogenannten „Passivhausstandard“ (siehe Infobox) zu bauen.
Passivhausstandard
In Passivhäusern wird der überwiegende Teil der Wärme aus „passiven“ Quellen wie Sonneneinstrahlung, Wärme von Personen und technischen Geräten gedeckt. Sie benötigen daher kein aktives Heizsystem und zeichnen sich unter anderem durch eine sehr gute Wärmedämmung aller Bauteile sowie eine Lüftungsanlage aus, die auch zur Beheizung der Räume dient.
In der Regel benötigt ein Passivhaus zur Beheizung nur 15 Kilowattstunden (kWh) pro Quadratmeter Wohnfläche im Jahr (Energiegehalt von 1,5 Liter Heizöl).
Der Passivhausstandard ist einer der weltweit führenden Standards für energieeffiziente Gebäude.
Weitere Infos gibt es hier.
Um den standardmäßig bei jährlich 15 Kilowattstunden pro Quadratmeter liegenden Heizenergiebedarf eines Passivhauses einzuhalten, muss unter anderem ausreichend Sonneneinstrahlung auf das Haus treffen. Das ist jedoch aufgrund der historisch bedingten engen Bebauung in dem auch als DomRömer-Projekt bezeichneten Ensemble der Frankfurter Altstadt nicht immer gegeben. Aus diesem Grund wurde ein leicht erhöhter Heizwärmebedarf akzeptiert.
Karin Gerhardt hat von Beginn ihrer Tätigkeit im Klimareferat und Wolfgang Steins von Projektbeginn an darauf geachtet, dass die energetischen Anforderungen berücksichtigt und umgesetzt wurden. „Federführend moderiert hat Burkhard Schulze Darup, ein externer Passivhausexperte, der auch mit der energetischen Beratung und Begleitung der DomRömer-Bebauung beauftragt war“, erklärt Gerhardt.
„Energetisch hochwertiges Bauen und historische Gestaltungsanforderungen lassen sich durchaus vereinbaren.“
Neben den energetischen Aspekten waren noch andere Anforderungen zu berücksichtigen, wie beispielsweise die Gestaltung nach historischen Vorbildern sowie Schall-, Feuchte- und Brandschutz. „Alles unter einen Hut zu bringen, war eine ziemliche Herausforderung. Dafür führte Schulze Darup zunächst Planungsworkshops mit 18 Architekturbüros durch und stimmte anschließend die Passivhausanforderungen regelmäßig mit den beteiligten Akteuren ab“, erklärt Gerhardt. Das betraf insbesondere Fassaden, Dachformen und Dachgauben. „Gebaut wurde so, dass zumindest für Laien die entsprechenden baulichen Details, die den Klimaschutz ausmachen, nicht sichtbar sind“, macht Steins deutlich.
Energetisch hochwertige Gebäude hinter historischen Fassaden
Die energetischen Anforderungen gelten für die Rekonstruktionen und die modernen Bauten. Letztere ließen sich direkt mit den entsprechenden hochdämmenden Baustoffen planen. Bei den Rekonstruktionen war es etwas schwieriger, die Dämmung zu integrieren: Schließlich spielte Klimaschutz zur Zeit ihrer historischen Vorbilder noch keine Rolle.
Dach und Dachgauben
Um diese möglichst nah an den historischen Vorbildern zu gestalten, waren alle Dächer der Frankfurter Altstadt in Schiefer auszuführen. Insbesondere bei den Rekonstruktionen forderten die verschiedenen Dachformen mit ihren oft spitzen Giebeln und filigranen historischen Formen der Gauben Architekten und Handwerker heraus. Der für die Hauptdachflächen verwendete reguläre 30-Zentimeter-Dämmstoff war für viele Gauben viel zu dick. So sind beispielsweise die besonders schlanken Satteldachgauben mit speziellem Hightech-Material gedämmt. Dieses ist lediglich 16 Zentimeter dick, hat jedoch die Wirkung einer 30-Zentimeter-Dämmung. „Das lässt sich allerdings nur bei kleinen Flächen umsetzen, da dieses Material extrem teuer ist“, so Steins.
Außenwände
„Das Besondere an der Frankfurter Altstadt ist die feingliedrige Gestaltung der unterschiedlichen Fassaden“, so Gerhardt. Das trifft auf die Rekonstruktionen und auf die modernen Bauten zu. Während Letztere die Passivhausanforderungen mit einfacher aufgebauten Wänden (zum Beispiel aus hochdämmendem Mauerwerk mit Putz) erreichten, war dies bei den Rekonstruktionen viel aufwendiger. Vor allem die sichtbaren Fachwerkfassaden bestehen aus mehreren Schichten, in die Dämmung integriert ist. Bei den historischen Fassaden aus Sandstein, Schiefer und Naturstein wurde die Dämmung zwischen tragende Wand und Außenverkleidung angebracht. Bei vielen Rekonstruktionen und modernen Bauten wurden die Außenwände durch verschiedene Elemente, wie beispielsweise vorspringende Stockwerke, Erker oder Balkone, verschiedene Putzstrukturen, Brüstungen und Stürze möglichst abwechslungsreich gestaltet. „Die Frankfurter Altstadt zeigt: Hochgedämmte Gebäude lassen sich vielseitig und schön gestalten“, fasst Gerhardt zusammen.
Fenster
Auch hier unterscheiden sich die Rekonstruktionen von den modernen Bauten. Bei Letzteren wurden dreifach verglaste Fenster verwendet, deren Rahmen möglichst schmal sind. Die Rekonstruktionen haben aufgrund ihrer historischen Vorbilder oft Sprossenteilungen und sehr schlanke Fensterrahmen. Diese stehen allerdings den Vorgaben eines Passivhauses entgegen: Das braucht vor allem im Winter viel Licht und Wärme durch die Sonne. „Um diesen gegenteiligen Anforderungen gerecht zu werden, wurden für die rekonstruierten Gebäude folgende Entscheidung getroffen: Von außen ist bei den Gebäuden jeweils nur ein filigraner und historisch anmutender Fensterrahmen sichtbar, der allerdings nur eine Einfachverglasung enthält. Den erforderlichen Wärmeschutz liefert ein dahinter liegendes Fenster mit Dreifachverglasung. So konnten die gestalterischen Anforderungen mit denen des Energiekonzepts in Einklang gebracht werden“, erklärt Steins. „Hier kam uns die bei den historischen Vorbildern übliche Bauweise mit sogenannten Kastenfenstern zugute: Diese bestanden aus zwei Fenstern, zwischen denen ein Hohlraum lag. Diese Bauweise passt hervorragend zu hochgedämmten Wänden: So sieht der Betrachter nämlich von außen eine nahezu ebene Fläche aus Fenstern und Wand – ganz wie bei den historischen Vorbildern“, ergänzt Gerhardt.
Haustüren
Auch die Haustüren der Gebäude mussten gut gedämmt sein, um dem Passivhausstandard zu entsprechen. Die Dämmeinlage wurde in die meist massiv wirkenden Haustüren integriert, sodass auch hier von außen der historische Eindruck gewährleistet wurde.
Lüftungstechnik mit Wärmerückgewinnung
Diese ist in Passivhäusern vorgegeben, um eine ausreichende Frischluftversorgung zu gewährleisten. Ventilatoren fördern frische Außenluft in die Wohnungen und befördern verbrauchte Luft wieder nach außen. Damit hierbei nicht zu viel Wärme verloren geht, wird die Abluft über Wärmetauscher geleitet und erwärmt die einströmende Zuluft. So kann rund 80 bis 90 Prozent der Wärme wieder zurückgewonnen werden. Die Lüftungsrohre für Zu- und Abluft mit ungefähr 20 Zentimetern Durchmesser durchziehen alle Etagen der Gebäude vom Erdgeschoss bis zum Dach. Die Rohre und die dazugehörende Technik „unsichtbar“ zu machen, war in den zum Teil sehr beengten Grundrissen nicht immer leicht. Während sich Rohre in Versorgungsschächte integrieren ließen, wurden Ventilatoren und Wärmetauscher meist in den sehr spitzen Dächern untergebracht.
Luftdichtheit
Eine möglichst dichte Bauweise ist wesentliche Voraussetzung dafür, dass die Lüftungstechnik einwandfrei und effektiv arbeiten kann. Schließlich soll der Austausch der Luft nicht über Ritzen und Fugen, sondern über die Lüftungsanlage stattfinden. Die Luftdichtheit wird einerseits über den Innenputz, andererseits über Folien hergestellt, die an verschiedenen Bauteilen angebracht werden. Überprüft wird die Luftdichtheit mit einem Drucktest, der für Passivhäuser Standard ist. Er wird meist vor dem Anbringen des Innenputzes durchgeführt, sodass Korrekturen noch möglich sind. Drucktests in verschiedenen Gebäuden der Frankfurter Altstadt zeigten zahlreiche undichte Stellen. „Das ist nicht ungewöhnlich in Anbetracht so komplexer Materialien und filigraner Formen. Durch die Tests konnten diese undichten Stellen rechtzeitig erkannt und ausgebessert werden“, erzählt Steins.
Tiefgarage
Auf dem Gelände der heutigen Frankfurter Altstadt stand vorher das alte Technische Rathaus. Nach dessen Abriss sollte die darunterliegende Tiefgarage erhalten bleiben. Das bedeutete, dass die Decke der Tiefgarage mit Wärmedämmung eingepackt werden musste. Die vorhandenen Wände sowie die notwendige Durchfahrtshöhe in der Tiefgarage stellten dabei Herausforderungen für die Planer dar, sodass an einigen Stellen nicht so optimal gedämmt werden konnte, wie das die Passivhausbauweise normalerweise vorsieht. Die Dämmung mit Mineralwolle ist teilweise in der Tiefgarage sichtbar.
Passivhausstandard lässt sich mit hohen gestalterischen Ansprüchen vereinbaren
Trotz der zahlreichen Herausforderungen konnten die künstlerischen und gestalterischen Anforderungen an die Gebäude mit den vorgegebenen energetischen Aspekten vereinbart werden. Damit zeigt Frankfurt, dass sich Klimaschutz durchaus in einem historischen Ensemble realisieren lässt. „Die Gebäude der Frankfurter Altstadt sind energetisch hochwertig und zukunftsfähig, obwohl das kaum sichtbar ist“, so Steins. Durch die zahlreichen verschiedenen Konstruktionstypen gleicht das DomRömer-Areal einer „einzigartigen Bauausstellung mit Passivhaus-Qualität“ (Schulze Darup) auf sehr hohem Niveau. Die Frankfurter Altstadt zeigt damit: „Energetisch hochwertiges Bauen und historische Gestaltungsanforderungen lassen sich durchaus vereinbaren!“, so Gerhardt. Beide hoffen, dass sich diese Erkenntnis auch auf andere Quartiere in Frankfurt übertragen lässt.